Dreipingurische Gesänge

.                                        . .                .
1. Wehklagen

Oh stolzes Reich von Dreipingur!
Verloren scheint Deine Pracht,
Vergangen mutet Dein Glück!
Das Banner der Sonne flattert schmutzig und schwach.

Einst gab’s keinen trefflich’ren Ort,
Sänger rühmten von Fern und von Nah
Eintracht und Freude, rauschende Feste,
Ein glückvolles Leben unter strahlenden Himmeln!

Marode stehn nun die Mauern,
Matt ist des Turms edler Glanz.
Die Gärten sind ohne ein Blühen,
Kein Vogel mehr singt fröhlich sein Lied!

Das Königspaar, ach, steht zerstritten,
In Zwist und Zwietracht das Volk!
Auf Zinnen wacht spärlich die Garde,
Trostlos und leer liegt der Markt.

Die Tempel verdammt dem Verfallen,
Verloschen das Licht der Kultur!
Der Barde spielt traurige Weisen,
Das Ende von Glauben und Liebe ist nah!
 
 


2. Anrufung des Königs

Gesenkten Haupts steht der König,
Die Gemahlin bittet er um Gehör.
Ihr Antlitz neigt sie hin zu ihm,
Dunkel die Miene, gekräuselt die Stirn.

„Teure“, hebt er an, die Stimme schwer.
„Darnieder liegt das Land,
Verdorrt scheint unsere Liebe,
Wir zürnen einander um tausenderlei Ding‘!“

Es drückt der Schmerz ihn in der Brust:
„Mißachtet hab ich Euch, allein gelassen so lang!
Doch was ich tat, tat ich fürs Reich!
Verzeiht, vergebt, es ist noch nicht zu spät!“

„Denn Ihr seid die Sonne,
Bringt Licht in unsren Tag,
Wärmt, wenn ringsum Kälte herrscht,
Erhellt mein Gemüt, wenn schwer die Sorge mich drückt!“

So gesprochen hält er inne,
Erwartungsvoll, erleichtert, ja froh.
Den Arm zum Gruße und als Zeichen
Schwenkt er würdig, demutsvoll vor ihr.
 
 


3. Entgegnung der Königin

Der Herrin Blick liegt milde auf ihm,
Eine Träne steht in ihrem Auge.
Die Hände sind im Schoße verschränkt,
Zur Antwort bebt ihr lieblicher Mund:

„Verzeiht, mein Gatte!
Ich sehe wohl den guten Willen,
Erkenne wahrlich Euer Müh’n,
Und wollte freilich, ich könnt Euch folgen!“

„Auch ich tat fehl, trag manche Schuld,
Des Reiches Ruin wär uns‘ beider Kind.
Groß und stolz war einst der Bund,
Sein Fall würd‘ zu Tode mich trüben.“

Des Paares Hände greifen sich,
Doch düster setzt fort sie die Rede.
„Allein, mein Herz, es schlägt so hart,
Wie eingekerkert die Gedanken.“

Vom Sessel hoch erhebt sie sich,
Die Lippen auf des Königs Stirn:
„Ich kann’s nicht sagen, laßt die Zeit
Uns zeigen, welches Los sie uns bestimmt!“
 
 


4. Entzweiung

Woch um Woche zieht ins Land,
Das Frühjahr blüht mit frischer Kraft.
Banger Seele hofft der König:
Mag es Einhalt bieten dem Verfall!

Gerichtet wird der große Turm -
Er erstrahlt in neuem Glanz.
Der Herrscher selbst führt an das Werk,
Das lang schon auf Vollendung drang

Die Königin aber merkt es kaum,
Ihr Sinnen unstet, abgelenkt.
In eignen Händeln unterwegs
Schweift eilig sie im Reich umher

Mit Argwohn sieht der Gatte dies
Seine Sühnehand bleibt leer.
Und schließlich wird aus Frühling Sommer

Sie tritt vor ihn, spricht leis, doch klar:

„Mein Teurer, nun muß ich's sagen!
Hätt ich es anders auch gewollt.
Zu verschieden führt Ihr die Regierung,
Unsere Wege müssen sich hier trennen!“
 
 


5. Auszug ins Exil

Das letzte Wort ward so gesprochen,
Welch Kummer füllt des Königs Brust!
Als fiel vollends das Reich in Trümmer,
Endgültige Düsternis statt lichter Himmel!

Mit ihrem Hofstaat, Helfern, Garde
Hält unzugänglich sich die Dame.
Der Gatte tagt mit eignen Getreuen,
Kein Rat ist gut, doch jeder teuer.

Und ach! Des Unglücks mehr
Droht manch Vasall ihn zu verlassen
Der vorher Zuspruch bot und treuesten Halt.
Kaum kann die Verzweiflung größer sein!

Nicht länger mag dieser Ort ihn halten
Ein Auszug ins Exil tut Not!
So finden Späher einen Platz
Wo klein die neue Burg entsteht.

Noch eh der Herbst zum Winter wird
Zieht schmal des Königs Schar davon
Läßt bloß im fahlen Neubeginn
Königin und Reiches Schutt zurück.
 

.                                       .


HOME